Kroatien hat offiziell ehrgeizige Ziele: mehr erneuerbare Energie und Klimaneutralität im Einklang mit der EU. Die jüngsten Naturkatastrophen zeigen, dass dringendes Handeln notwendig wäre. Die Grüne Transformation wird jedoch vielfach verschleppt. Diese Ausgabe des „Blickpunkts“ zeigt verschiedene Perspektiven auf Hindernissen und Chancen der Grünen Transformation auf.
von Dr. Boris Stamenić
Der Übergang zu erneuerbaren Energiequellen und Klimaneutralität befinden sich unter erklärten strategischen Zielen der Republik Kroatien. Die Naturkatastrophen des Sommers 2023 haben einmal mehr deutlich gemacht, dass Kroatien bereits jetzt stark von der Klimakrise betroffen ist und dringender Handlungsbedarf besteht. Eine Grüne Transformation trägt nicht nur zur Verminderung der Klimakrise bei, sondern eröffnet auch neue Entwicklungsperspektiven für das Adrialand, die im Einklang mit dem europäischen Green New Deal stehen und entsprechend gefördert werden. Bei der Umsetzung der Transformation hapert es aber – nicht zuletzt aufgrund etlicher ungelöster Strukturprobleme aus vorigen Zeiten. Der neue “Blickpunkt Kroatien” nimmt Potenziale, Herausforderungen und eine Zwischenbilanz der Grünen Transformation in Kroatien in den Blick:
Dr. Christian Hellbach, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Kroatien seit dem Sommer 2022, bewertet den aktuellen Stand und die Perspektiven der Kooperation zwischen den beiden Ländern im Bereich der erneuerbaren Energie.
Dr. Julije Domac, Direktor der Regionalen Energieagentur des nordwestlichen Kroatiens, berichtet über strukturelle Probleme, die die Grüne Transformation in Kroatien erschweren und schlägt eine konkrete Maßnahme vor, um sie zu beschleunigen.
Im Gesprach mit Sanela Mikulčić Šantić, Leiterin der zivilgesellschaftlichen Organisation „Križevci Labor der Inovationen für Klima“, wird ein erfolgreiches Beispiel der Grünen Transformation auf lokale Ebene präsentiert.
Die neue Ausgabe bringt zum Schluss ein Gespräch mit Jasmina Novak. Die langjährige Managerin der Solvis GmbH, einem mittelständischen Unternehmen aus Varaždin, das Photovoltaikmodule nach Deutschland und ganz Europa exportiert, spricht über aktuelle Tendenzen in der Branche.
Ich lade Sie herzlich ein, mehr über das drängende Thema „Grüne Transformation“ in der neusten Ausgabe des Newsletters „Blickpunkt Kroatien“ zu erfahren und wünsche Ihnen eine interessante und anregende Lektüre!
Kroatien ist ein Land mit einem enormen Potenzial an erneuerbaren Energien, das jedoch nicht ausreichend genutzt wird. Gleichzeitig ist die Beförderung der Energiewende für uns als Teil der Klimaaußenpolitik ein wichtiges außenpolitisches Ziel. Hinzu kommt, dass die Gewährleistung der Energiesicherheit in Deutschland durch die Erschließung von Energieimporten aus erneuerbaren Quellen spätestens seit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine ganz oben auf unserer energiepolitischen Agenda steht. In der Zusammenschau liegt für mich auf der Hand, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen Kroatien und Deutschland beim Ausbau der erneuerbaren Energien große Chancen bietet, und zwar für beide Seiten, eine echte „Win-Win-Konstellation“, die auch dazu beitragen könnte, die politischen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu stärken, ein Effekt, den man nicht unterschätzen sollte. In einem Europa, das zunehmend unter Kohäsionsproblemen leidet, ist es wichtig, zuverlässige Partner wie Kroatien zu haben. Diese Partnerschaft stärken wir, wenn wir gemeinsam Dinge tun, die beiden Seiten zeigen, dass wir füreinander wertvolle Partner sind. Ich würde mich freuen, wenn ich diesen politischen Mehrwert in meiner Zeit zumindest ein bisschen anzapfen könnte.
Erstaunlicherweise gibt es nicht sehr viele belastbare Studien und verlässliches Zahlenmaterial, das insbesondere auch das Potenzial an erneuerbaren Energien in Kroatien unter Berücksichtigung aller Faktoren, die letztlich für die Nutzung ausschlaggebend sein können, betrachtet. Beispielsweise die Verfügbarkeit von Land, die Dauer von Genehmigungsverfahren, der ordnungspolitische Rahmen und strukturelle Rahmenbedingungen, um nur einige Elemente zu nennen. Wie sieht z.B. der Energiemarkt aus, ist er liberalisiert oder nicht? Oder die Leistungsfähigkeit der Leitungsnetze; oder die Verfügbarkeit von Energiespeichern, um die Schwankungen auszugleichen, sowie anderer erneuerbarer Energiequellen, zum Beispiel Wasserkraft, die man bräuchte, um Elektrolyseure zur Produktion von grünem Wasserstoff möglichst rund um die Uhr, also wirtschaftlich zu betreiben. Es ist sehr schwierig, belastbares Material zu finden, und das ist ein Indiz dafür, dass man in Kroatien noch nicht so richtig in diese Thematik eingedrungen ist, was sich letztlich auch darin ausdrückt, dass Kroatien trotz des vermuteten riesigen Potenzials Sonnenenergie nur in geringem Umfang nutzt. In der Europäischen Union belegt Kroatien bei Photovoltaik den vorletzten Platz. Da ist noch sehr viel Luft nach oben. Das Potenzial liegt, so hört man immer wieder, irgendwo zwischen 8 und 10 Tausend Megawatt, die installierte Leistung bewegt sich im Bereich von 100 bis 200 Megawatt, das heißt, wenn ich richtig rechne, irgendwo im Umfeld von 1 %.
Ich hätte eigentlich gedacht, dass es nahe liegt, dieses Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energien zu erschließen, und zwar nicht nur für die Dekarbonisierung der eigenen Energiematrix, also für die Energiewende in Kroatien, sondern auch, für den Export. Ich bin davon überzeugt, dass Kroatien mit dem Export erneuerbarer Energien viel Geld verdienen könnte. All dies veranlasst die Botschaft, sich für eine Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien einzusetzen und das Potenzial für eine solche Zusammenarbeit, oder sagen wir, die Notwendigkeit für eine solche Zusammenarbeit, aufzuzeigen. Kroatien hat auf dem Papier ehrgeizige Ziele, die Umsetzung steckt jedoch noch in den Kinderschuhen.
Noch ein Bereich, der mit Nachhaltigkeit zu tun hat und Potenzial für eine engere Zusammenarbeit bietet, ist die Abfallwirtschaft. Soweit ich weiß, gibt es in Kroatien nur sehr wenige Gemeinden, die tatsächlich über eine Mülltrennung und -verwertung verfügen. Auch hier sehe ich großen Nachholbedarf und man braucht nur mit den Bürgermeistern großer Städte wie Zagreb, Rijeka oder Split zu reden um festzustellen, dass fast schon verzweifelt nach Lösungen gesucht wird. Ich glaube, dass wir hier nicht nur von Seiten der Bundesregierung, sondern durchaus auch von Seiten der deutschen Wirtschaft einiges zu bieten hätten.
> Wie schätzen Sie die aktuelle Zusammenarbeit der Institutionen und Unternehmen aus beiden Ländern im Bereich der erneuerbaren Energien?
Erstens gibt es nicht genug davon, sonst würden wir uns nicht um eine Intensivierung der Zusammenarbeit bemühen. Und das Zweite, entscheidend ist am Ende immer, ob der Privatsektor funktioniert, d.h. ob sich die Wirtschaft in Richtung ökologische Nachhaltigkeit bewegt, d.h. das Engagement deutscher Unternehmen in diesem Fall hier in Kroatien ist ein ganz wichtiger Indikator.
Deutsche Unternehmen zählen zu den Pionieren im Bereich der erneuerbaren Energien in Kroatien
Erfreulicherweise zählen deutsche Unternehmen in Kroatien zu den Pionieren im Bereich der erneuerbaren Energien und sind zum Teil seit mehreren Jahrzehnten hier in Kroatien tätig. Und viele dieser Unternehmen würden sich gerne noch stärker in Kroatien engagieren. Wir als Botschaft versuchen, diese Unternehmen zu unterstützen, wo immer wir können. Manchmal ist es das Fehlen eines verlässlichen regulatorischen Rahmens, manchmal stoßen ausländische Investoren im Energiesektor aber auch an Grenzen, weil der kroatische Energiemarkt noch nicht wirklich liberalisiert ist. Das ist ein struktureller Rahmen, der jetzt nicht unbedingt innovationsfreundlich ist.
Bilaterale Zusammenarbeit gibt es durchaus auch auf Regierungsebene. Hier ist zunächst die Europäische Klimaschutzinitiative und die Finanzierung von Projekten im Rahmen der Europäischen Klimaschutzinitiative durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima zu nennen. Das läuft seit 2017 und es sind insgesamt 26 Projekte in der Größenordnung von jeweils bis zu einer Million Euro, teilweise auch im zweistelligen Millionenbereich. Das sind oft Projekte, bei denen es nicht nur um Kroatien geht, sondern auch um die Region.
Die Projektträger sind öffentliche Institutionen, Körperschaften, aber auch Aktivistennetzwerke, also ein breites und recht beeindruckendes Spektrum von Projektträgern, was Sie übrigens auch sehen können, wenn Sie auf die Seite der [Europäischen Klimaschutzinitiative, Anm. d. Red.] EUKI gehen. Nebenbei gesagt ist dies ein gutes Beispiel für die Transparenz öffentlichen Handelns.
Hinzu kommen unsere eigenen Aktivitäten als Botschaft. Wir werben bei jeder Gelegenheit öffentlich für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für die Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit. Adressat dieser Werbung ist einerseits die kroatische Regierung, aber durchaus auch die Bundesregierung. Wir arbeiten aber auch mit allen möglichen Partnern zusammen, um dieses mittel- oder vielleicht auch langfristige Ziel zu verfolgen, zum Beispiel mit regionalen kroatischen Energieagenturen und mit deutschen Unternehmen, die hier in Kroatien bereits tätig sind. Auch die Auslandshandelskammer ist ein wichtiger Partner.
Im Grunde geht es darum, das Interesse für eine strategische Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien zu wecken, jetzt auch mit dem Schwerpunkt auf grünem Wasserstoff, hoffentlich mit Blick auf eine Regierungszusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und der kroatischen Regierung. Grüner Wasserstoff ist für Kroatien auch ein entwicklungspolitisches Thema. Kroatien könnte durch den Ausbau und den Export erneuerbarer Energien Wohlstand generieren.
Kroatien wäre gut beraten, sein Potenzial zeitnah zu aktivieren
Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Finanzierung. Kroatien ist beim Ausbau der Erneuerbaren und der dazu gehörigen Infrastruktur nicht nur auf private Investitionen, sondern auch auf Fördermittel aus Brüssel angewiesen. Dabei sollte man sich aber beeilen, denn derzeit wird europa- und weltweit massiv in den Ausbau der Erneuerbaren und der Transport- und Leitungsinfrastruktur investiert. Kroatien wäre gut beraten, sein Potenzial zeitnah zu aktivieren, denn in einigen Jahren könnte dieser Zug abgefahren sein und der Bedarf eines Industriestandortes wie Deutschland gedeckt sein. Es wird dann noch reichen, um die eigene Energiewende auf Basis erneuerbarer Energien voranzutreiben, aber die große Chance, auf Basis dieses Exportpotenzials einen Entwicklungssprung zu machen, die wird dann im Zweifel vergeben.
Das Interview wurde von Dr. Boris Stamenić geführt.
> Wie steht Kroatien hinsichtlich des ökologischen Wandels da? In welchen Bereichen halten Sie die Situation für zufriedenstellend, und in welchen Bereichen sehen Sie hingegegen die größten Probleme und Herausforderungen?
Leider sehe ich in Kroatien keine ausreichenden Fortschritte im Bereich des grünen Wandels. Bei der Stadtplanung sind wir bereits vor langer Zeit gescheitert. Das Ergebnis sind einerseits zu dicht gebaute Städte und andererseits die sog. „Appartmanisierung“ der Küste, mit allen Problemen, die diese beiden Phänomene mit sich bringen.
Trotz der beträchtlichen Wasserressourcen bewässern wir immer noch keine landwirtschaftlichen Flächen. Immerhin nimmt in letzter Zeit das Problem des Wassermangels in Istrien und an der Küste zu. Gleichzeitig werden in Zagreb und in anderen großen Städten die Straßen mit Trinkwasser gereinigt, während wir das Geld in Millionensummen für den Kauf von Mineralwasser jährlich verputzen.
Darüber hinausgehend gibt es begründeten Verdacht auf kriminelle Praktiken bei der Bewirtschaftung von Wäldern. Zugleich sind Blockheizkraftwerke mit Waldbiomasse auch weiterhin in Betrieb. Diese verlangen hohe Strompreise und geben Wärme in die Luft ab. Es wird viel über das Abfallproblem gesprochen, aber wir haben immer noch keinen kohärenten nationalen Ansatz dafür.
Raum, Wasser, Wälder, Boden und Luft sind nationale Ressourcen
Der Tourismus ist völlig außer Kontrolle geraten. Die Menschenmassen sind im Sommer unerträglich, aber nach der Saison bleiben die Altstädte an der Küste zehn Monate lang leer. Es ist höchste Zeit, dass wir verstehen, dass Raum, Wasser, Wälder, Boden und Luft nationale Ressourcen sind. Diese müssen wir schützen und verantwortungsvoll nutzen. Im Bereich des ökologischen Wandels ist der Mangel an Bewusstsein für nationale Interessen vielleicht am deutlichsten ausgeprägt.
> Wie kommt die Energiewende in Kroatien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern voran? Gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Kroatien und anderen EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich des Musters der Energiewende?
Die Energiewende in Kroatien wird durch das Fehlen einer klaren langfristigen Vision behindert, die von der regierenden politischen Option unabhängig sein soll. Ein weiteres Problem ist die Nichtumsetzung rechtlicher Verpflichtungen und strategischer Dokumente. Heute haben wir keine klare Antwort auf Fragen wie: Wie viele erneuerbare Energiequellen brauchen wir in unserem System? Wollen wir ein Exporteur grüner Energie sein?
Kroatien verfügt über einen relativ hohen Anteil an erneuerbaren Energiequellen, dieser ist jedoch weitaus geringer als es möglich und wünschenswert ist. Von einem Land, in dem das erste Wasserkraftwerk Europas gebaut wurde und das vor den meisten anderen Ländern Europas Solarpanels produzierte, sind wir in eine Situation geraten, in der wir in den letzten dreißig Jahren nichts Wesentliches getan haben. Dementsprechend belegen wir heute den vorletzten Platz in Europa hinsichtlich der Nutzung der Solarenergie. Wir importieren bis zu 35 % der benötigten Energie.
Unsere wichtigsten Energieunternehmen stecken hoffnungslos in einem Sumpf schlechten Managements fest
Wir können Fortschritte im Bereich der Energiewende erkennen. Allerdings werden diese Fortschritte viel langsamer erreicht, als wir angesichts der natürlichen Bedingungen und der vorhandenen Fachkenntnisse erwarten würden. Unsere wichtigsten Energieunternehmen, HEP[1] und INA[2], stecken hoffnungslos in einem Sumpf schlechten Managements fest. Darüber hinaus befindet sich INA in ungelösten Eigentumsfragen mit den sogenannten Partnern aus Ungarn. Es gibt wenige Bereiche in Kroatien, in welchen die Politik eine so schlechte Rolle gespielt hat wie im Energiebereich. Das gesamte Jahr 2022 verlief ohne sichtbare Fortschritte auf dem Gebiet großer Investitionen in erneuerbare Energiequellen.
Leider ist dies eine Fortsetzung der seit über 7 Jahren andauernden Krise. Dies bedeutet, dass wir seit vielen Jahren Investitionsmöglichkeiten von mindestens 10 Milliarden Euro allein im Bereich der erneuerbaren Energien verpassen. Gleichzeitig importieren wir tagtäglich teure Energie. Hierbei verlieren wir das Wesentliche aus dem Blick: Die Netzinfrastruktur in Kroatien wird ungenügend ausgebaut. Weder bezüglich der Übertragungs- noch hinischtlich der Verteilungskapazitäten reichen die aktuellen Kapazitäten im Lande aus, um neue Energiequellen akzeptieren zu können.
> Welche Maßnahmen im Hinblick auf politische Entscheidungen und die Anpassung von Gesetzen sollte Kroatien ergreifen, um die Energiewende voranzubringen?
Zunächst einmal sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Energiepolitik langfristig geplant werden soll. Die Energieprojekte dauern in der Regel länger als ein politisches Mandat. Man sollte ein System schaffen, in dem die Politik auf die Fachexpert*innen hört, in dem Korruption unterbrochen und auf allen Ebenen schnell und konsequent bestraft wird. Man sollte für die Kontinuität und den Konsens einer nationalen Politik sorgen, die eine Vision hat und die nationalen Energieinteressen klar erkennt. Die Energieunternehmen und zuständigen öffentlichen Institutionen müssten dringend entpolitisiert werden.
Meiner Meinung nach soll ein nationaler Rat für Energiesicherheit und Energiewende eingerichtet werden. Eine derartige Institution sollte die Leitlinien für die Energiepolitik und das Management von Energieunternehmen herausgeben. Zudem soll sie die Umsetzung der Energiepolitik als Thema von größtem nationalen Interesse überwachen und darüber berichten. Der Rat sollte aus Vertreter*innen der größten politischen Parteien bestehen, wobei der oder die Vorsitzende des Rates eine überparteiliche Person aus den Reihen prominenter Expert*innen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft sein soll. Auch die Kapazitäten des für Energie zuständigen Ministeriums zur Verabschiedung und Umsetzung operativer Dokumente sollten gestärkt werden.
Es ist bedauerlich, dass wir im Bereich der erneuerbaren Energiequellen Projekte haben, die aufgrund mangelnder Regulierung auf Eis gelegt wurden. Auch an den technischen Voraussetzungen für die Akzeptanz neuer Kapazitäten erneuerbarer Energiequellen sollten wir arbeiten. Beispielsweise hängt ganz Dalmatien praktisch an einem Faden. Die Übertragungsleitung Konjsko – Melina wurde vor fast fünfzig Jahren gebaut und ihre Kapazität muss deutlich erhöht werden. Dies könnte zur Hauptbeschränkung für die künftige Entwicklung aller Solar- und Windkraftwerke in Südkroatien werden, da der Bau einer solchen Übertragungsleitung bis zu 10 Jahre dauern kann.
Schluss mit der allumfassenden Subventionierung von Energiepreisen
Schließlich muss mit der allumfassenden Subventionierung von Energiepreisen dringend Schluss gemacht werden. Diese Politik ist rücksichtslos, auf lange Sicht nicht nachhaltig und äußerst schädlich. Die derzeitige Subventionspolitik, die auf dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen basiert, hemmt den Markt für erneuerbare Energiequellen und stoppt Investitionen. Folglich erstickt sie das Unternehmertum und verhindert die Entwicklung der Industrie.
Was halten Sie für ein realistisches Ziel der Energiewende in Kroatien bis 2030?
Angesichts der Tatsache, dass wir in der vergangenen Zeit so wenig getan haben, ist es schwierig, ehrgeizige Ziele zu setzen. Dennoch sollte aus meiner Sicht das einzig akzeptable Ziel sein, dass wir bis 2030 unseren eigenen Energiebedarf aus heimischen erneuerbaren Quellen decken. Dazu müssen wir alle administrativen und regulatorischen Hindernisse für eine ernsthafte Entwicklung dieses strategischen Bereichs beseitigen.
Die Fragen des schriftlichen Interviews stellte Dr. Boris Stamenić.
[1] HEP (Hrvatska Elektroprivreda) oder die Kroatische Elektrizitätswirtschaft ist ein Staatsunternehmen mit dem Marktanteil von über 90 % am Strommarkt in Kroatien. Die führenden Posten bei HEP, sowie bei anderen öffentlichen, kommunalen und staatlichen Unternehmen in Kroatien werden nach wie vor durch formelle Entscheidungen oder informellen Einfluss der Regierungsvertreter*innen besetzt.
[2] INA (Industrija Nafte) oder die Öl-Industrie ist ein ehemaliges Staatsunternehmen für Gas und Öl, dessen entscheidendes Kontrollpaket der Aktien vom ungarischen MOL schrittweise angeeignet wurde. Die Aneignung eines Teils der Aktien im Rahmen eines rechtlich nachgewiesenen Korruptionsfalls mit dem ehem. Premierminister Ivo Sanader in der Hauptrolle, sowie das umstrittene Unternehmensmanagement von INA-MOL, sorgen für eine verbreitete Unzufriedenheit in Kroatien seit mehreren Jahren.
> Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Energiegenossenschaft zu gründen?
Die Idee entstand aus dem 2018 gestarteten Projekt namens „Die sonnigen Dächer von Križevci“ [kroatisch: Križevački sunčani krovovi]. Die Stadt Križevci[1] und die Genossenschaft für grüne Energie [kroatisch: Zelena energetska zadruga] organisierten damals die Installation von Solarpanels auf öffentlichen Gebäuden in Križevci. Dazu wurde ein Finanzierungsmodell der freiwilligen Beteiligung interessierter Bürger*innen entwickelt. Etwa 15 Personen, beziehungsweise 30 % aller Investor*innen, stammten aus Križevci. Infolgedessen kamen wir auf die Idee, eine lokale Genossenschaft zu gründen. Diese Genossenschaft soll eine Verbindung zwischen den Bürger*innen und der lokalen Regierung im Rahmen der Implementierung der Energiewende auf lokaler Ebene darstellen. Ich komme selbst aus Križevci und damals arbeitete ich bei der Genossenschaft für grüne Energie. Es hat sich also alles gut gefügt.
Wir versuchen die Gemeinschaft zu sensibilisieren und sie auf unterschiedliche Weise in die Energiewende einzubeziehen
Neben der Energiegenossenschaft KLIK haben wir auch einen Verein gegründet – das Križevci-Labor der Innovationen für das Klima [kroatisch: Križevački laboratorij invoacija za klimu- KLIK]. Im Mittelpunkt der Vereinsarbeit steht die Sensibilisierung der Bürger*innen für die Energiewende sowie die Förderung ihres gesellschaftlichen Engagements. Unser Ziel besteht nicht nur darin, Projekte im Bereich der erneuerbaren Energiequellen durchzuführen, sondern wir versuchen auch, die Gemeinschaft zu sensibilisieren und sie auf unterschiedliche Weise in die Energiewende einzubeziehen. Für manche Menschen sind Themen wie Klimaresilienz und Klimawandel noch recht abstrakt. Viele denken immer noch, dass es sie nicht betrifft. Deshalb versuchen wir durch verschiedene Aktivitäten, unsere Mitbürger*innen tatsächlich in dieses Thema einzubeziehen und ihnen darzulegen, dass sie selbst Einfluss darauf haben, dass der Klimawandel tatsächlich existiert. Zudem versuchen wir, zu verdeutlichen, dass sie ein Teil von uns allen sind sowie, dass auch wir Initiative ergreifen können, um ihre Auswirkungen zu reduzieren und uns anzupassen.
> Inwieweit haben die Bürger*innen sowie die lokale Verwaltung Ihre Ideen erkannt, bzw. angenommen?
Zunächst erkannte die Stadt die Vorteile der Existenz einer Energiegemeinschaft der Bürger*innen, also einer lokalen Energiegenossenschaft. Gemeinsam mit der Stadt haben wir das sog. Energie-Klima-Büro [kroatisch: Energetski klimatski ured] gegründet. Dieses Büro dient der Information und Aufklärung der Bürger*innen über erneuerbare Energiequellen und die Energiewende im Allgemeinen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir 22 Workshops durchgeführt, an denen rund 400 Mitbürger*innen teilgenommen haben. Wir helfen interessierten Bürger*innen bei der Vorbereitung und Durchführung der Installation von Solaranlagen. Tatsächlich haben wir eine Art der schlüsselfertigen Dienstleistung entwickelt. Wir nehmen eine erste Einschätzung vor, ob die interessierten Bürger*innen die Voraussetzungen überhaupt erfüllen und ob auf ihrem Haushalt Solarstromanlagen installiert werden können. Anschließend bringen wir sie mit Designer*innen und Auftragnehmer*innen zusammen und helfen bei der Beantragung von Zuschüssen. Die Zuschüsse werden entweder bei der Stadt oder beim staatlichen Umweltschutz- und Energieeffizienzfond beantragt, der die Installation von Solarpanels finanziert.
Die Stadt Križevci gehört zu den ersten Städten in Kroatien, die die Projektdokumentation für Solarkraftwerke subventionierte. Dies wurde getan, um die Bürger*innen zu motivieren, sich um Mittel aus dem Umweltschutz- und Energieeffizienzfond zu bewerben. Neben der Mitfinanzierung der Erstellung von Projektdokumentationen beteiligt sich die Stadt seit zwei Jahren auch selbst an der Errichtung von Solarstromanlagen für Haushalte. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 40 Solarkraftwerke auf Wohngebäuden in der Stadt installiert. Das in Križevci angewandte Modell wurde inzwischen von einigen anderen kroatischen Städten übernommen.
> Was ist das wichtigste Projekt des KLIK bisher?
Meiner Meinung nach ist das Energie- und Klimabüro bisher unser wichtigstes Projekt. Parallel zur Gründung der Genossenschaft entstand die Idee, dass sie ein Treffpunkt für Bürger*innen zu Themen rund um die Energiewende sein soll. Es dauerte etwa ein Jahr, bis wir diese Projektidee verwirklichten und mit der Stadt vereinbarten, uns die Räumlichkeiten auf einem passenden Standort zur Verfügung zu stellen. Nach der Gründung des Büros 2020 boten wir Unternehmen mit umweltfreundlichen und nachhaltigen Produkten an, ihre Technologie in unseren Ausstellungsräumen auszustellen. Außerden haben wir Kontakte zu Designer*innen geknüpft und belebten den lokalen Markt. Dies schuf wiederum neue Arbeitsplätze in der Stadt. Früher hat niemand in Križevci Solarkraftwerke entworfen oder installiert, und heute gibt es einige Unternehmen aus Križevci in diesem Bereich.
> Wo möchten Sie das KLIK in zehn Jahren sehen?
Ich hoffe, dass KLIK in zehn Jahren zu einer großen Gemeinschaft von Solarkraftwerken wird. Ich hoffe, dass wir alle Haushalte zusammenbringen, die derzeit mit uns zusammenarbeiten, sowie diejenigen, die über Kraftwerke in der Zukunft verfügen werden und unsere Mitglieder werden möchten. Ich hoffe, dass KLIK ein Aggregator für überschüssigen Strom wird. Dieser Aggregator soll den Mitgliedern der Genossenschaft ermöglichen, die Einnahmen aus ihren Solarkraftwerken zu maximieren.
[1] Die Stadt Križevci (deutsch: Kreutz/Kreuz) liegt im Norden Kroatiens, etwa 70 Kilometer nordöstlich von Zagreb. Die Stadt hat etwa 20.000 Einwohner und etwas weniger als 6.000 Haushalte.
> Was macht Solvis? Wann wurde das Unternehmen gegründet und wie viele Angestellte hat Solvis heute?
Die Haupttätigkeit von Solvis ist die Produktion von Photovoltaikmodulen. Das Unternehmen wurde 2008 gegründet, im Jahr 2009 haben wir mit der Produktion begonnen. Das Unternehmen beschäftigt heute etwa 300 Mitarbeiter*innen.
> Wo sind Ihre wichtigsten Absatzmärkte?
Wir exportieren unsere Produkte hauptsächlich in alle EU-Mitgliedstaaten, wobei auch der kroatische Inlandsmarkt wächst. Der deutsche Markt ist allerdings seit Beginn der Geschäftstätigkeit unser Zielmarkt. Die besten Ergebnisse auf dem deutschen Markt haben wir zusammen mit unseren Partnern im Zeitraum von 2015 bis 2019 erzielt. In den letzten Jahren hat sich der deutsche Markt indes zunehmend auf Produkte aus China umorientiert. Wir hoffen auf einen neuen Anstieg der Exporte nach andere EU-Länder, weil die Initiative innerhalb der EU zum Kauf von Produkten, die in der EU hergestellt wurden, wieder mehr Unterstützung erhält.
> Welchen Anteil hat die Solarenergie an der Energieherstellung in Kroatien?
Der Anteil der Solarenergie an der Stromerzeugung in Kroatien ist angesichts des Potenzials, der Nachfrage und der Möglichkeiten immer noch unzureichend. Die Nutzung von Solarenergie in Kroatien steigt erst seit einigen Jahren an. Im vergangenen Jahr hat sich der Anteil der Solarenergie an der gesamten Stromproduktion in Kroatien verdoppelt. Doch Kroatien hinkt den anderen EU-Mitgliedstaaten und dem Rest Europas immer noch hinterher.
> Was könnten politische Institutionen machen, um den Anteil der Solarenergie an der Stromerzeugung zu erhöhen?
Die Investition in Solarkraftwerke gilt als eine der ökonomisch günstigsten und effizientesten Möglichkeiten, in erneuerbare Energiequellen zu investieren. Die Debatte um die politischen Rahmenbedingungen ist umfangreich und dauert seit Langem. Es gibt immer Raum für Verbesserungen, wenn man sich an den Erfahrungen und Praktiken der branchenführenden Länder orientiert.
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